Balance & Bewegung
Training für Pferd und Reiter

Gedanken die zu Worten wurden...

Manchmal möchte man sich von der Seele schreiben, was sich im Alltag mit Pferden so ansammelt.
Vielleicht findet sich der eine oder andere wieder, fühlt sich inspiriert, bestätigt, oder kann für sich was daraus mitnehmen.

 

 

 

"Schuster bleib bei deinen Leisten"

Eine alte Weisheit, die sich auf sehr viele Themengebiete übertragen lässt.

Wer von allem ein bisschen macht, macht wohl nichts davon so richtig gut - könnte man so sagen.
Wer sich jedoch auf EINES versteift, nimmt vielleicht aus dem Umfeld wenig wahr und verliert dem Blick über den Tellerrand.

In der Reiterei, allgemein in der Ausbildung von Pferd und Reiter greifen sehr viele Zahnräder ineinander.

Um beim Pferd nur ein paar Aspekte zu nennen:
- Haltung
- Fütterung
- Beschlag/Hufbearbeitung
- Gymnastizierung
- allgemeiner Gesundheitszustand
- der Reiter
- die Ausrüstung

All diese Faktoren beeinflussen das Pferd in seiner Motorik, Gesundheit in seinem Verhalten und seiner Leistungsbereitschaft.
Wenn nur in einem dieser Punkte Ungleichgewicht herrscht, kann das gravierende Unterschiede machen.

Beginnen wir bei der artgerechten Haltung. Es gibt viele verschiedene Haltungsformen, und nicht jedes Pferd kommt mit jeder zurecht. Jedoch bleibt das Pferd in jedem Fall ein bewegungsfreudiges Lauftier, und ein hoch soziales Herdentier.
Ein Pferd, welches 18 Stunden am Tag oder mehr in der Box steht, und kaum bis keinen Kontakt zu seinen Artgenossen hat, wird im Umgang und unter dem Reiter nicht viel Freude bereiten.

Wenn dann noch, wie es leider häufig der Fall ist, billiges melassehaltiges Müsli gefüttert wird, und mit dem Heu gespart wird, übersäuert der Magen. Und wir alle wissen, wie unleidlich wir sind und wie wenig Lust auf Bewegung wir haben wenn wir Magenschmerzen haben.
Desweiteren können Mängel zu starken Wesensveränderungen führen! Vitamin D - Mangel kann zu Depressionen führen, ein Mangel an Vitamin B zu Nervenproblemen, ein Zinkmangel zu starker Schreckhaftigkeit, und ein Vitamin E - Mangel zu Leistungsabfall, Steifheit und Müdigkeit, um nur einige Beispiele zu nennen.

Das Pferd wird dann gern als zickig oder schwierig dargestellt, und mit diversen Methoden zum Gehorsam gezwungen.
Von Dominanztraining über die kreativsten Verschnallmethoden und Hilfszügel bis hin zu gruseligen Gebissen. Das ist natürlich nicht besonders vertrauensfördernd.

Es entwickelt sich ein Teufelskreislauf aus Druck, Gegendruck, Schmerz, Abwehr.

Auch der Reiter kann dem Pferd Probleme bereiten.
Ein Reiter der selbst mit seinem Körper nicht gut zurecht kommt, kein Balancegefühl hat, grobmotorisch , sehr schief, stark in der Hand, überehrgeizig oder verspannt ist, ist seinem Pferd keine große Hilfe. Da kann Ausgleichssport wie Yoga oder Pilates ganz viel Positives bewirken.

Es ist meines Erachtens nicht nur die Aufgabe eines Trainers dem Reiter Hufschlagfiguren anzusagen, und ihm dabei zu helfen sein Pferd rund und gehorsam zu bekommen, sondern das Team Pferd & Reiter GANZHEITLICH zu betrachten.

Ich möchte damit nicht sagen, dass ein Trainer gleichzeitig
- Physiotherapeut für Pferd/Mensch
- Chiropraktiker für Pferd/Mensch
- Sattler
- Hufschmied
- Tierarzt
- Futterberater
sein soll.

Jedoch sollte er erkennen, woran es liegen könnte, wenn ein Pferd gewisse Aufgaben nicht umsetzen kann, wenn quasi das Rad nicht rund läuft, wenn es wo hakt.

Er kann seinem Schüler nahe legen, seinem Pferd mit angepasster Pflege/Fütterung/Behandlung zu helfen.
Kleinigkeiten und bereits minimale Veränderungen bewirken oft Wunder, und ersparen einem viel "Kampf" mit dem Partner Pferd.

Wir möchten einen agilen, motivierten und gesunden Partner, unsere Pferde reiten zu dürfen ist NICHT selbstverständlich.

Sie haben es verdient, dass wir uns um ihr Wohl sorgen - ganzheitlich!

In diesem Sinne, hört hin, fühlt, und macht euch Gedanken um das Wohl eurer Schützlinge, und natürlich auch um eures!



Achtsamkeit

Oft bekomme ich mit, dass Pferdebesitzer einfach so drüber putzen. Man will das Pferd ja bewegen, und das so schnell wie möglich. "Das Pferd mag putzen ja sowieso nicht wirklich", so häufig die Aussage von den Besitzern. Dann grantelt das Pferd mal eben, weil man eine unangenehme Stelle erwischt. Einmal geschimpft, bzw. einen Klaps gegeben, wird weitergerubbelt. Wenn man bedenkt wie grob diese Plastikstriegel zum Teil sind, und wie fein ein Pferd auf eine Fliege auf der Haut reagiert, kein Wunder. Nicht, dass man sich vom Pferd jetzt auf der Nase rumtanzen lassen soll, wenn es eine Stelle nicht mag. Aber oft ist es eine winzige Veränderung, die die ganze Situation harmonischer werden lässt.

Beim Warmreiten an sich wird dann leider auch gern Zeit gespart, wenig drauf geachtet wie das Pferd heut drauf ist, wie die Muskulatur/daraus resultierend die Schulterbalance sich verhält.
Ich merke bei Atreyu zB. wenn wir am Vortag einen sehr anstrengenden Ausritt hatten mit viel bergauf- und bergab, wo er wirklich auch seine Defizite stark ausgleichen und trainieren muss, dass er einen Muskelkater hat, und der Körper auf diese Trainingsreize reagiert.

Warum werden zum Beispiel Sportler so oft massiert? Weil ein lockerer Muskel sich einfach viel leichter tut zu kontrahieren und folgedessen sich aufzubauen. Man möchte jetzt vielleicht gern betonen, dass unsere "Freizeitpferde" keine Sportpferde sind, aber auch unsere Pferde bringen ihre Leistung, und wir erwarten auch gewisse Dinge von ihnen.

Da darf man dann ruhig auch etwas zurück geben.
Man kann den eigenen Tieren soviel Gutes tun.

Vieles davon kostet Wissen, vieles davon viel Geld.
Wissen lässt sich zwar aneignen, was wiederum mit viel Zeit und Geld verbunden ist. Aber oft ist es in erster Linie gar nicht das Denken an sich, das die gemeinsame Zeit sehr sehr wertvoll machen kann.

Wir können unseren Pferden auf einer ganz speziellen Ebene etwas Gutes tun.

Wer sich wirklich auf sein Pferd einlassen möchte, ganz im Hier und Jetzt sein will, sein Pferd als Freund und Familienmitglied sieht und es wahrnehmen möchte, kann im kleinen Rahmen spüren was es braucht.

Es sind oft ganz kleine Massagegriffe, Impulse, Vibrationen, ausstreichende Bewegungen, Dehnungen, Knet- und Ziehbewegungen die vieles verändern können. Das Pferd wird uns, wenn wir hinhören, deutliches Feedback mit seiner Körpersprache/Mimik geben.

Diese Signale wahrzunehmen, sie richtig zu interpretieren und darauf zu reagieren schafft eine Bindung und Vertrauen. Pferde können deutlich motivierter und sogar freundlicher sein, wenn man ihnen auf Augenhöhe begegnet, ihnen zeigt, dass man sie wahrnehmen möchte!

ICH für meinen Teil komme regelmäßig in den Genuss auf meine Pferde zu steigen bzw. sie zu longieren nachdem ich ihnen eine Wellnesseinheit gegönnt habe, und ich spüre deutlich den Unterschied.
Ich möchte diese Art der Behandlung nicht mehr missen. Manchmal nehme ich mir eine Stunde Zeit oder mehr, gehe wirklich das ganze Pferd durch, spüre mich hinein, fühle, welcher Körperteil meine besondere Aufmerksamkeit braucht, und bekomme als Dank ein Pferd das meine Nähe sucht, mich "fellkrault", gähnt, schmatzt, kaut, die Augen kaum offen halten kann. An diesem Tag ist dann eben nur Wellness dran, und am nächsten schwebt das Pferd förmlich <3
Wenn es mal schneller gehen muss, habe ich meine 3,4 Griffe, und arbeite gezielt an den Bereichen die die größte Aufmerksamkeit verlangen. Das dauert dann keine 10 Minuten, und macht die gemeinsame Trainingseinheit aber bedeutend leichter. Warum "durchsetzten, abspielen, klingeln, zupfen" wenn es auch mit System geht?

Natürlich ist hier noch mehr Erfolg gegeben, wenn man sich ein bisschen mit diversen Techniken (Faszienbehandlung, TTouch) auseinandersetzt. Aber Achtung: gerne beginnt man dann wieder "verkopft" zu handeln, anstatt einfach wirklich HINZUHÖREN.

Wenn man nun weiter ins Detail gehen möchte,
mal als Beispiel wie so etwas aussieht:

Bei Atreyu sind die Hauptbaustellen folgende:
- sein linkes Vorderbein ist in sich weniger mobil als das rechte
- Kopf-Armmuskel rechts durch Mehrbelastung der rechten Schulter
- rechte Lende bis über den rechten langen Rückenmuskel
Das sind so die Stellen, die ich beim Reiten spüre, und anhand von Dehnungsübungen auch bei der Wellnesseinheit. Es spiegelt sich meist alles ganz gut, da zieht sich ein roter Faden durch. Durch den Sturz vor Jahren ist seine Hüfte (durch gutes Training nicht mehr so) schief, die rechte Lendenmuskulatur etwas verkürzt, dadurch tut er sich schwer sein rechtes Hinterbein so weit unter den Schwerpunkt zu führen wie das linke. Durch die natürliche Schiefe ist sein rechtes Schulterblatt etwas nach hinten versetzt, mehr Gewicht auf der rechten Schulter, somit fällt es ihm schwer, auf der linken Hand in ein korrektes Schulterherein zu kommen, dazu könnt ich noch Absätze schreiben, aber das würde ausufern. Es gibt zwar die Lehrbuchschiefe beim Pferd, aber das trifft auf wenige "echte" Pferde zu ;)
Da redet man jetzt nicht von einem unreitbaren Pferd, sondern von kleinen Defiziten und Ungleichheiten, die exterieurbedingt JEDER Mensch und JEDES Pferd haben. Da muss man konstant dran arbeiten, und die Arbeit fällt bei guter Behandlung zusätzlich bedeutend leichter.

Gute Übungen sind für ihn:
- Dehnung des rechten langen Rückenmuskels und des rechten Trapezius durch Anheben des rechten Vorderbeines und nach vorne überkreuz führen, am Huf gehalten dabei den Oberarm nie höher als waagrecht
- Brachiocephalicus (Kopfarmmuskel) lösen durch Triggerpunkte, sowie im Stand Rechtsbiegung verlangen, und dabei die Faszien an der Halsfalte lösen, dabei kaut und gähnt er extrem viel, das ist eine der wichtigsten Übungen für ihn
- rechtes Hinterbein überkreuz zum linken Vorderbein führen für die Lende
Auch die Arbeit mit den Balance Pads hilft den Pferden ganz stark dabei, ihren eigenen Körper zu erfahren. Man kann mithilfe dieser Pads auch sehr gut an der Schulterbalance arbeiten.

Wenn ich diese paar Übungen vor dem Reiten mache, und an einem windigen Tag (oder wenn man merkt, dass das Pferd etwas aufgeregt o.ä. ist) eventuell noch ein paar TTouches zur Erdung, fällt ihm jede Übung zur Geraderichtung und Losgelassenheit sowie auch zur Versammlung bedeutend leichter.

Die Behandlung wie Atreyu sie genießen darf, wird ein gesundes, junges Pferd wohl in dieser Intensität nicht brauchen, aber Atreyu und auch Major haben durch ihre Vorgeschichten wirklich gewisse Problemstellen, und wir haben in kurzer Zeit unglaubliche Fortschritte gemacht. Und selbst ein junges, gesundes Pferd freut sich über Wellness und ein Ausbildungssystem, das wirklich auf den individuellen Körper eingeht.

Gute Berichte dazu:
https://www.nature.com/articles/s41598-018-32993-z
https://www.st-georg.de/…/studie-belegt-fellpflege-gerne-b…/

Anhand dieser Berichte konnte man sogar feststellen, dass Pferde die "einfach nur herkömmlich geputzt werden", quasi ohne besondere Rücksicht auf Lieblingsstellen/empfindliche Stellen, öfter Abwehrreaktionen zeigen wie zum Beispiel den Kopf hochzunehmen, den Bauch hochzuziehen, mit dem Schweif schlagen, Lippen kräuseln. Sogar anhand der Hormonausschüttung wurden deutliche Unterschiede festgestellt. Lesenswert.

Es ersetzt natürlich keine physiotherapeutische/osteopathische/chiropraktische Behandlung, aber es überbrückt die Zeit bis der Therapeut eures Vertrauens wieder Zeit hat für euch und schafft Nähe, Vertrauen, Geborgenheit, Wohlgefühl. Und allein die Psyche kann sich unheimlich stark auf den Pferdekörper, seine Muskulatur und seine Leistungsbereitschaft auswirken.

In diesem Sinne, nehmt euch die Zeit für euer Pferd.
Es wird der Muskulatur und der Pferdepsyche garantiert gut und keinen Rückschritt tun, einmal vor/nach oder sogar statt dem Training eine Wellnesseinheit einzulegen. Auch gesunden Pferden tut sowas absolut gut.
Pferde die jahrelang "einfach nur gebürstet" werden, können anfangs skeptisch sein. Aber ich garantiere euch, sie werden, wenn ihr euer Herz in eure Hände legt, unter diesen dahinschmelzen.

Ein Zusatz noch, eine Sache die ich sowieso WEIT genialer finde als jede Bürste - Massagehandschuhe!
Man kann damit auf jedes Körperteil viel genauer eingehen! Oder wir nehmen unser natürlichstes Werkzeug - unsere Hände! <3

 



.. am Freitag waren Julia & Karin dran!

Zwei Reitstunden hintereinander, mit zwei super motivierten ambitionierten Schülern, und das im eigenen Stall.
Da schlägt das Trainerherz höher!

Spannend, wie beide Pferd- und Reiterpaare komplett andere Baustellen haben, die sich aber doch wieder in einzelnen Punkten ähnelten, wie zum Beispiel in der natürlichen Schiefe.

Beide Pferde sind links hohl, haben also rechts ihre Zwangsseite.
Das bedeutet, dass die Pferde auf der linken Hand ihre Hinterhand leicht traverartig nach innen schieben, die Innenstellung aber leichter annehmen. Das Gewicht jedoch legen sie auf die rechte Schulter und driften gern über diese hinaus.

Auf der rechten Hand fällt es ihnen schwer die Stellung und den inneren Zügel anzunehmen, da die äußere (linke) Halsseite die verkürzte ist, und das innere (rechte) Hinterbein weniger Kraft und demnach Beweglichkeit hat.

Dafür gibt es viele gute gymnastizierende Übungen, die ich mit sehr gutem Erfolg anwende.  

Natürlich gibt es diesbezüglich viele Abweichungen wie zum Beispiel:

- Kompensationsbewegungen durch Altlasten (Schmerzgedächtnis), Gewohnheit, falsche Haltung über Monate/Jahre hinweg
- Fehlhaltungen durch Verletzungen, unpassendes Zubehör, einen Sattel der auf einer Seite drückt
- ein Reiter der in eine Richtung stark schief ist, oder stärker einwirkt
- monotones Training, vermehrt auf einer Hand geritten

Wenn dann die Schiefe des Reiters der des Pferdes ähnelt, kann da ganz schnell mal der Knoten drin sein! ;)

Bevor ich damit beginne das Pferd zu gymnastizieren, beobachte ich den Reiter, lasse ihn durch Körperwahrnehmungsübungen in die eigene und die Bewegung des Pferdes hineinfühlen.

Nach einer Bestandsaufnahme wird der Körper des Reiters zentriert, mit sanften und wirkungsvollen Bewegungen gelockert, und möglichst gerade ausgerichtet.

Man darf von dem Körper in einer Einheit nicht ZUVIEL verlangen, er muss die neuen Reize erst verarbeiten und speichern, die alten Muster quasi "überschreiben". Das benötigt Zeit, so einige Wiederholungen und auch den Willen sich auf etwas Neues einzulassen.

Danach darf der Reiter nachspüren, was sich im eigenen Körper und in dem des Pferdes verändert hat. Meistens laufen die Pferde danach bereits ganz anders. Gelöster, gerader, und mit raumgreifenderen, runderen Bewegungen.
Träge Pferde werden dann oft erstaunlich fleißig, und aufgekratzte, gehetzte Pferde beruhigen sich, wenn die Kommunikation eine bessere, feinere wird.

Wenn nun der Reiter bereit ist, die Bewegungen des Pferdes nicht zu stören sondern zu begleiten, dann kann er seinem Pferd mit seinem eigenen Körper sehr gut dabei helfen korrekter und besser zu laufen.

Dann beginnen wir die Reitstunde und gymnastizieren unser Pferd.
Ohne zu riegeln, klingeln, zupfen, spielen, kneten, quetschen, ...

- Reiten aus der Körpermitte -